„Gibt es in Deutschland auch Sarkasmus?“
– Ein Vergleich der englischen und deutschen Kultur
Worin bestehen eigentlich die Unterschiede zwischen Engländern und Deutschen? Diese Frage wurde mir seit meiner Zeit als Fremdsprachenassistentin im Land der Fish and Chips schon dutzende Male gestellt. Dies ist mein persönlicher Vergleich der Länder:
Der oft als Kampftrinker portraitierte Engländer ist in Wahrheit sehr höflich und herzlich. Die Engländer sind Meister des Smalltaks und haben sehr gute Manieren. Sie halten meist die Tür auf und entschuldigen sich öfter als Deutsche. Man sollte sich einfach ein Mal in einer beliebigen Stadt in England in die Fußgängerzone stellen und die Menschen beobachten. Wenn zwei Engländer sich anrempeln, folgt wie aus der Pistole geschossen eine Entschuldigung, und zwar von beiden Seiten. Außerdem haben sie das Schlangestehen definitiv verinnerlicht – ein sehr nützliches Konzept, was den Deutschen sicher nicht schaden würde.
Der nicht weniger kampftrinkende Deutsche hingegen drängelt sich in jeder nicht vorhandenen Schlange vor und huscht durch jede Tür, die einfach wieder zugeschlagen wird, ungeachtet aller die ihm folgen mögen. Er rempelt jeden an, der ihm entgegen kommt und Straft die betreffende Person mit einem ausgesprochen grimmigen, deutschen Blick. Schließlich möchte der Deutsche nicht zu spät kommen.
Einige Engländer denken, dass alles außerhalb Englands nicht normal ist. Alle lernen Englisch, weil England das Land schlechthin ist. Wir wollen alle so sein wie die Engländer, die natürlich sehr priviligiert sind dadurch, dass sie theoretisch keine Sprachen lernen müssten. Die armen deutschen Kinder hingegen werden schon in der Grundschule mit verschiedenen Fremdsprachen geärgert und mit Ausdrücken wie dem kulturellem Verständnis gequält. Man erzählt uns von der Erweiterung kognitiver Fähigkeiten durch das Erlernen einer Sprache und gar von Erweiterung des Horizonts. Da kann man von Glück reden, wenn man Englisch mit der Muttermilch aufgesaugt und somit einen riesen Vorteil in die Wiege gelegt bekommen hat.
Und wer hat eigentlich behauptet, Bürokratie oder so etwas wie Papierkrieg wäre typisch Deutsch? In England ein Konto zu eröffnen war ungefähr so leicht wie mal eben in den deutschen Bundestag zu spazieren. Ganz zu schweigen von dem geregelten Ablauf eines Schulalltags. Deutsche Schüler kommen und gehen, wann sie wollen, das haben sie sich schließlich von den Lehrern abgeguckt. In meiner Schulzeit war der erste Gang am Morgen der zum Vertretungsplan, um zu sehen, was wieder alles ausfällt. Der erste Gang der Schüler in England ist der zur Registrierung. Sollte ein Feuer in einer englischen Schule ausbrechen, weiß man, wer noch im Gebäude ist. In Deutschland hofft man, die Abwesenden hätten ohnehin den ganzen Tag gefehlt.
Das englische Essen ist einfach köstlich, genau wie das deutsche. In beiden kulturen gibt es allseits bekannte Spezialitäten mit wachsenden internationalen Einflüssen. Und es ist herrlich anzusehen, wie des Nachts spindeldürre, junge Damen im Minikleid gerade aus einem Club kommen und eine riesen Portion Pommes mit Käse überbacken essen, die sie unter normalen Umständen in einer Woche nicht Essen können. In Deutschland träfe diese Beschreibung genau so zu, man müsste nur die Käsepommes durch einen Döner ersetzen.
„Gibt es in Deutschland auch Sarkasmus?“, so lautete die Frage einer Schülerin am Anfang meiner Zeit als Sprachassistentin. Der englische Humor tendiert tatsächlich stark zum Sarkasmus, doch ist er bei weitem nicht so schwarz wie ich erwartet hatte. Ich habe den Eindruck, dass der typische, englische, schwarze Humor ein Vorurteil ist, das in einem roten Doppeldeckerbus seine Kreise zieht. Der deutsche Humor scheint mir viel derber zu sein und oft direkter. Was ich auf die Sarkasmusfrage geantwortet habe war selbstverständlich ein direktes und deutliches, deutsches: „Nein!“.
Man könnte sicherlich noch viele weitere, kleine Unterschiede der beiden absolut liebenswürdigen Kulturen aufzählen. Würde man anfangen, die Gemeinsamkeiten zu bennenen, würde man jedoch unzählige Seiten voll schreiben können. Im Großen und Ganzen sind die Deutschen und die Engländer sich ähnlicher, als man zunächst vermuten mag.